Senator a.D. Jean-Baptiste Bizimana

Die Jumelage zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda stützt sich auf viele einzelne Partnerschaften zwischen Schulen, Vereinen, Einrichtungen, Unternehmen und Kommunen. Besonders beständig ist jene zwischen dem Donnersbergkreis und dem Sektor Rutare, die bereits 1994 gegründet und später auf den gesamten Distrikt Gicumbi ausgeweitet wurde. Einer ihrer stärksten Verfechter ist Senator a.D. Jean-Baptiste Bizimana, der seinerzeit als Bürgermeister von Rutare viele Partnerschaftsprojekte angestoßen und begleitet hat, bevor er 2003 in den ruandischen Senat wechselte.

 

Herr Senator, heute blicken wir zurück auf 28 Jahre Partnerschaft zwischen Rutare bzw. Gicumbi und dem Donnersbergkreis. Wie ist diese überhaupt zustande gekommen?

Unsere gemeinsame Geschichte begann 1994, kurz nach Ende des Genozids. Die Zerstörung und die Vertreibungen in meiner Region waren immens. Das Koordinationsbüro der Jumelage war eine der ersten Auslandsvertretungen, die zu dieser Zeit ihre Arbeit wiederaufgenommen hat. Ihr damaliger Leiter, Rudolf Fischer, fragte mich während seines Besuchs, wie die Jumelage uns in dieser schwierigen Situation helfen könne. Wir baten in erster Linie um Unterstützung beim Wiederaufbau der lokalen Verwaltung – und zwar mithilfe einer Partnerschaft mit einer rheinland-pfälzischen Kommune. Zwei Wochen später stellte Herr Fischer uns den Donnersbergkreis vor. Wir haben uns gegenseitig kennengelernt, unsere Bedürfnisse miteinander geteilt, gemeinsam nach Lösungen gesucht. Aus dem Austausch hat sich nach und nach eine enge Freundschaft entwickelt. Während des ersten Delegationsbesuchs aus dem Donnersbergkreis 1999 habe ich viele Partner*innen kennengelernt, die zu engen Freund*innen wurden – etwa Manfred Schäfer. Das war eine großartige Erfahrung für mich.

Wie hat die Partnerschaft das Leben in Ihrer Region während dieser Zeit geprägt?

Unser Partner hat uns stark beim Wiederaufbau unterstützt: Gemeinsam haben wir etwa viele Klassenzimmer und Gesundheitszentren errichtet sowie die lokale Wasserinfrastruktur wiederhergestellt. 1996 haben die Schulen in Rutare wieder geöffnet und wir haben den Aufbau von Schulpartnerschaften vorangetrieben, um auch Schüler*innen an unserer Freundschaft teilhaben zu lassen. Das Patenschaftsprogramm mit dem Donnersbergkreis, durch das engagierte Bürger*innen aus Rheinland-Pfalz individuell Schulgebüren übernommen haben, hat zudem vielen besonders vulnerablen Kindern den Zugang zu Bildung ermöglicht.

Wie würden Sie Ihre eigene Rolle in der Partnerschaft beschreiben?

Ich war nach dem Genozid als Bürgermeister für meine Kommune verantwortlich und habe meine Verantwortung darin gesehen, die Partnerschaft weiter voranzubringen. Ich bin mit all meinen Freund*innen in Kontakt geblieben und habe durchgängig Informationen mit ihnen geteilt. Mit der Philosophie der Jumelage konnte ich mich gut identifizieren – das hat meine Arbeit sehr erleichtert.

Was zeichnet die Philosophie der Jumelage aus Ihrer Sicht aus?

Gegenseitiger Respekt, Korrespondenz und Freundschaft. Zunächst muss man verstehen, dass wir miteinander sprechen müssen. Eine Partnerschaft kann sich nur über gegenseitiges Kennenlernen entwickeln –  indem man am Leben des jeweils anderen teilhat. Man spricht miteinander, beobachtet, tauscht sich aus. Mit dem Kennenlernen verschwinden auch unsere Vorurteile, denn man sieht sich von da an als individuelle Person. Das Entwickeln einer echten Partnerschaft ist viel wichtiger als finanzielle Unterstützung. Materielle Hilfe sollte ihren Weg aus meiner Sicht immer über Freundschaft und gegenseitigen Austausch gehen. Nur deshalb sind wir heute wie Zwillinge – wenn es einem schlecht geht, leidet der andere auch.

Wie hat sich die Partnerschaft im Laufe der Jahre entwickelt?

Nun, die Philosophie ist geblieben, aber die Akteure und die gemeinsamen Handlungen ändern sich. Der stetige Wechsel von Funktionsträger*innen, etwa von Lokalregierungen und Schulleiter*innen, wirkt sich negativ auf die Partnerschaft aus: Viele setzen die Jumelage gleich mit finanzieller Hilfe und übergehen damit unsere Philosophie, für die der persönliche Austausch so bedeutent ist. Sie sind dann enttäuscht, wenn sie keine unmittelbare materielle Unterstützung erhalten und engagieren sich nicht weiter in der Partnerschaft. So hat der Enthusiasmus, der uns zu Beginn unserer Kooperation getragen hat, leider deutlich nachgelassen.

Nun machen wir alle gemeinsam COVID-19 durch – die wirtschaftliche Situation ist vielerorts angespannt und Projekte sind schwieriger zu finanzieren. Wer die Philosophie nicht versteht, wird angesichts „fehlender Hilfe“ resignieren. Tatsächlich aber müssen alle Teilhabenden begreifen, dass wir trotz der Schwierigkeiten füreinander da sind.

Wie könnte man dieser Entwicklung entgegentreten? Was empfehlen Sie der neuen Generation?

In erster Linie kann das Koordinationsbüro durch Sensibilisierung und eine gute Vorstellung der Philosophie bei Besuchen zu einem besseren Verständnis der Partnerschaft beitragen. Alle Beteiligten müssen sie primär als Chance auf Freundschaft, nicht auf materielle Hilfe verstehen. Die Neugründung von Partnerschaftskommitees könnte hierzu beitragen. Die Partnerschaft muss in den Alltag und administrative Prozesse integriert werden. An Schulen können Elternvertretungen stärker in die Partnerschaft eingebunden werden, da sie langfristiger bestehen als die Schulleitung. Wir alle, vor allem die nachfolgende Generation, muss begreifen, dass die Partnerschaft unsere Initiative ist: Auf unsere Handlungen kommt es an – das Koordinationsbüro unterstützt uns lediglich dabei, unsere Ideen umzusetzen. Um die Partnerschaft effektiv zu stärken, sollte die Lokalverwaltung einen Aktionsplan aufstellen und ein kleines Budget für gemeinsame Aktivitäten und Projekte im Haushalt einplanen.

Was wünschen Sie sich für den zwischenmenschlichen Austausch?

Manchmal wünschen wir uns mehr emotionale Teilhabe. Viele Ruander*innen schreiben persönliche Briefe an ihre Partner*innen, doch nicht immer erhalten sie eine direkte Antwort. Rheinland-Pfalz antwortet oft handelnd – durch Aktionen, die auf die Bedürfnisse des Partners eingehen. Das schätzen wir sehr. Gleichzeitig schreiben wir jedoch von Herzen und würden uns über eben solche persönlichen Worte freuen. Zudem sollten die Schüler*innen selbst stärker in den Austausch eingebunden werden, sie sind ja schließlich die Partner*innen und sollten daher auch die Träger*innen der Partnerschaft sein.

Welche besonderen Erfahrungen verbinden Sie persönlich mit Ihrer kommunalen Partnerschaft?

Ich habe Rheinland-Pfalz oft besucht, aber mein erster Besuch ist mir in ganz besonderer Erinnerung geblieben: Die Menschen im Donnersbergkreis haben uns mit einer unglaublichen Herzlichkeit, Gastfreundschaft und auch Neugier empfangen. Trotz der unterschiedlichen Sprache fühle ich mich dort wie zuhause – und Gleiches gilt umgekehrt für unsere Besucher*innen aus Rheinland-Pfalz. Besonders ergriffen war ich bei meinem letzten Besuch 2012 in Göllheim anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Jumelage. Dort haben Jugendliche für uns ein Konzert gegeben, bei dem sie nicht nur getrommelt, sondern auch die ruandische Nationalhymne gesungen haben. Aber auch das Treffen mit Ministerpräsident Kurt Beck 2002 am Rhein, als ich als Mitglied der Präsidentschaftsdelegation zur Stärkung unserer gemeinsamen Philosophie beigetragen habe, ist mir in sehr guter Erinnerung geblieben.